Eines Tages in der Berliner U-Bahn: Ich lebe zwar schon fast 10 Jahre in Deutschland, aber manches überrascht mich noch immer. Wie diese Werbung:
Schluss mit neugierigen Nachbarn – dank Jalousiescout!
Dazu schaut mich vom Plakat ein Maki-Affe direkt mit seinen enormen, runden Augen an und ich frage mich, was für Nachbarn man denn hier in Deutschland erwarten darf. Große Augen allerdings mache ich ebenfalls, wenn ich die Wörter „plissees“ und „jalousies“ höre.
Ein Beitrag von Pauline und Felicia.
Dass neugierige Nachbarn direkt durch die Vorhänge gucken können, überrascht mich nicht so sehr wie das Wort „Jalousie” für eine Art Vorhänge mit Lamellen, durch man hindurchblicken kann. Mit solchen Rollos kann man tatsächlich das Geschehen auf der Straße beobachten, ohne von dort aus selbst gesehen zu werden.
Was wir in Frankreich eigentlich „stores vénitien“ (Venezianer Rollo), oder „persienne“ (Persisches Rollo) nennen, würde man in der deutschen Sprache also als Eifersuchtsfenster übersetzen. Der Begriff „jalousie“ stammt allerdings nicht direkt aus dem Französischen, sondern kommt ursprünglich von dem italienischen Wort „gelosia“, das ebenfalls “Eifersucht” bedeutet. Apropos, Vorhänge dieser Art wurden später in Frankreich üblich und in Deutschland dementsprechend ab dem 16. Jahrhundert „jalousie“ genannt.
Mittelalter
Nachdenklich laufe ich über das Trottoir, mache ich mich auf den Weg nach Hause mit meinem Portemonnaie in der Hand und dem Gefühl, eine Art Jean-Baptiste Grenouille, dem Hauptdarsteller aus „Das Parfum“, zu sein. Meine Frage aber bleibt unbeantwortet: Woher kommen all diese französischen Lehnwörter überhaupt? Diese Frage bleibt mir im Kopf, auch, als ich endlich zu Hause angekommen bin, meine Weste an die Garderobe hänge und beschließe, ein wenig Recherche zu betreiben.
Der Gebrauch französischer Wörter in der deutschen Sprache begann schon im Mittelalter. Kontakte der Adeligen führten dazu, dass einige Wörter aus dem Französischen übernommen wurden. Das Wort „Turnier” zum Beispiel, welches vom französischen Begriff “tournelier” kommt und so viel heißt wie: „am ritterlichen Kampfspiel teilnehmen”. Dazu passend leiten sich auch Begriffe für passende Accessoires für den Ritterkampf wie „Lanze“ (ursprünglich: „lance”) und „Visier” (von „visière”) aus dem Altfranzösischen ab.
Ludwig XIV. und Napoleon wurden zu Influencern der deutschen Sprache
Bereits im 16. Jahrhundert, zu Zeiten Kaisers Karl V., sprach man an europäischen Höfen Französisch. Es ist allseits bekannt, dass der französische König „Louis XIV“, dessen Glanz bis nach Berlin, München und Wien ausstrahlte, einen großen Einfluss auf die europäische Linguistik hatte, ebenso wie andere berühmte „Gaulois et Gauloises“. Die meisten der sogenannten Gallizismen entstammen dem 17. Jahrhundert, als das Französische in gebildeten Kreisen sehr en vogue war. Aus dieser Zeit stammen wohl die meisten französischen Lehnwörter.Insbesondere in Bayern erhielt die französische Sprache einen Schub, und zwar dank des Kaisers Napoleon, dessen Sprache in den Alltag durchdrang und die deutsche Sprache und ihre Dialekte zu bunten Mischungen machte.
Die Hugenotten marschieren nach Deutschland
Als König Ludwig XIV. im Jahr 1685 die Auslebung des protestantischen Glaubens nach jahrelanger Verfolgung in ganz Frankreich endgültig verbot, flohen zahlreiche französische Protestanten, auch Hugenotten genannt, in die Nachbarländer, unter anderem auch nach Deutschland. Das hatte Auswirkungen auf Sprache und Kultur, denn man wollte unter keinen Umständen die eigene Kultur aufgeben. Und so brachten die Hugenotten weitere Teile der französischen Kultur und Sprache mit nach Deutschland, die dort anscheinend als so charmant befunden wurden, dass sie bis heute verwendet wird. Unter anderem errichteten sie in Berlin auch eine Schule, in der der Unterricht ausschließlich auf Französisch stattfand. Das „Französische Gymnasium“, welches die älteste öffentliche Schule Berlins ist, existiert bis heute und bietet immer noch Unterricht ausschließlich auf Französisch an. Die Romanze der Deutschen mit der französischen Sprache scheint also nicht zu vergehen.
1815 bis 1945
Appetit, Republik: Das sind einige von vielen Wörtern, die aus dem Französischen übernommen wurden und bis heute genutzt werden. Wer sagt schon noch „Esslust” oder „Freistaat”? Touché: Niemand. Doch nicht jeder schien mit der „Eindeutschung“ dieser Wörter zufrieden zu sein. Anfang des 19. Jahrhunderts wollten viele Leute, denen die französischen Wörter „aufgezwungen“ vorkamen, diese wieder durch ihre ursprünglichen deutschen Bezeichnungen ersetzen. Ohne Erfolg, wie es scheint, denn heutzutage gehören diese französischen Wörter zum alltäglichen deutschen Sprachgebrauch.
Heute
Gallizismen werden auch heutzutage von vielen Deutschen benutzt. Zwar nutzen manche mehr französische Wörter in ihrem Sprachgebrauch als andere, doch jeder verwendet mindestens ein paar von ihnen. Wer liebt nicht die Spaghetti à la Mama? Ohne hin und wieder diese eleganten Wörter zu verwenden, wäre die deutsche Sprache eben nicht dieselbe und auf einem ganz anderen Niveau. Es ist wie eine Romanze zwischen der französischen und der deutschen Sprache. Moment, hatte ich gerade etwa ein Déjà-vu?