Genderkonforme Sprache – wer nicht genannt wird, ist nicht gemeint

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Es fällt auf: Claus Kleber spricht im ZDF heute-journal von Reporter_innen (sprich: Reporter (Pause) innen) und Anne Will begrüßt den Präsidenten des Bundes der Steuerzahler_innen (sprich: Steuerzahler (Pause) innen). Texte in denen die Paarform verwendet wird (z. B. „… sollte der Rat einer Ärztin oder eines Arztes eingeholt werden“) , werden seltener.

Dafür lesen wir häufiger das Binnen-I wie in IngenieurInnen, den Doppelpunkt wie in Politiker:innen, das Gender-Sternchen wie in Schüler*innen oder eben den Gender-Gap wie er von Claus Kleber oder Anne Will gesprochen wird. Auch in der neuesten Auflage des DUDEN, die im August 2020 erschienen ist, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Denn erstmals finden sich dort Hinweise zum gendergerechten Sprachgebrauch. Einmal mehr zeigt sich, dass der Duden die Sprachentwicklungen in der Gesellschaft aufnimmt und kommentiert.

Ein Beitrag von Britta – Texterin für UX-Writing bei komplexen Themen

Geschlechtersensibel texten

Eine Norm für die Anwendung geschlechtergerechter Sprache gibt es nicht. Dennoch ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema wichtig. Denn Sprache entwickelt sich ständig weiter und muss daher ggf. angepasst werden um diskriminierungsfrei zu bleiben und auch Minderheiten respektvoll anzusprechen. Eine Umfrage von Infratest-Dimap für die „Welt am Sonntag“ hat ergeben, dass über die Hälfte der Deutschen eine gendergerechte Sprache ablehnt. Hier könnte mehr Aufklärung helfen. Denn die Auswirkungen von Sprache auf die Vorstellungen in unseren Köpfen ist groß.

Ein schönes Beispiel dafür ist folgende Episode: Drei Bauarbeiter treffen sich zum Feierabend in der Kneipe. Zwei bestellen ein Bier, Nummer drei ein Wasser. Fragt einer „Was is’n los?“ Antwortet Nummer drei: „Kein Alkohol für mich, ich bin schwanger.“ Wir hätten ein anderes Bild vor Augen gehabt, wenn die Geschichte begonnen hätte mit „Drei Bauarbeiter_innen treffen sich…“.

Gendern ist eine Frage der Haltung

Es stimmt, dass Sprache nur ein Teil im großen Ganzen der gesellschaftlichen Entwicklung ist. Gendergerechte Sprache kann die tatsächlichen Machtverhältnisse nicht einfach ändern. Wissenschaftlerinnen oder Regisseurinnen gibt es nicht deshalb häufiger, weil sie ab jetzt Wissenschaftler*in oder Regisseur*in heißen. Aber Sprache beeinflusst unsere Wirklichkeit.

Schon durch unsere Wortwahl können wir also eine Veränderung anstoßen. Wir gebrauchen zum Beispiel das Wort Auszubildende inzwischen ganz selbstverständlich. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass man ausschließlich vom Lehrling sprach, wobei damit sowohl der männliche als auch der weibliche Lehrling gemeint waren. Denn eine „Lehrlingin“ gab es nicht. Mit einer gendersensiblen Sprache werden gleiche Chancen für alle geschaffen, Minderheiten geschützt und Diskriminierung abgebaut.

Es geht auch ohne Gender-Sternchen

Gender-Sternchen und Gender-Gap sind dafür ein gut geeignetes Instrument. Denn sie schließen alle ein, die sich nicht einer bestimmten Identität zuordnen. Damit ist Raum geschaffen für nicht-binäre Menschen. Das ist ein Zeichen für Offenheit, Toleranz und Gleichberechtigung. Werkzeuge wie Gender-Sternchen, Gender-Gap oder auch der Gender-Doppelpunkt können aber auch als vorübergehende Mittel angesehen werden auf dem Weg zu einer geschlechtsneutralen Sprache, die alle inkludiert.

Mit Synonymen, Umschreibungen oder geschlechtsneutralen Pronomen können Texte spannender, interessanter und vielleicht auch fließender formuliert sein. Viele praktische Beispiele finden Sie auf der Seite https://www.genderleicht.de/neutral-texten-geht-auch/ .

Gegen Diskriminierung und für Vielfalt

Wenn wir als Strategie zum Formulieren gendersensibler Texte das Neutralisieren wählen, wird das Geschlecht unsichtbar. Dadurch kann der Text flüssiger gesprochen werden und der Leserhythmus wird nicht gestört durch einen Unterstrich, ein Sternchen oder einen Doppelpunkt mitten im Wort. Wer sich beim Texten für das Sichtbarmachen entscheidet, benennt die Vielfalt bewusst und spricht die verschiedenen Geschlechter gezielt an. Auf jeden Fall werden dadurch die Texte eindeutiger, weil die Überlegungen „Wer wird angesprochen?“ und „Wer ist gemeint?“ vorangestellt werden.

Sprache ist kein Konstrukt. Sie verändert sich mit den Bedürfnissen und Interessen der Gemeinschaft, die sie verwendet. Wenn wir in einem präzisen und respektvollen Deutsch texten, nutzen wir fast automatisch eine geschlechtergerechte Sprache. Das kann man gendern nennen, muss man aber nicht.