Was passiert mit Ihrem Content, wenn Sie ihn einer der vielen verfügbaren Lokalisierungs-Pipelines überantworten? Und in welchem Zustand wird er diese Pipeline wieder verlassen? Wie lange dauern der Transport und die Metamorphose in die gewünschte Zielsprache? Diesen und anderen Fragen ist der Autor im Laufe einer knapp zwei Dekaden währenden Laufbahn als freier Übersetzer nachgegangen. Werden Sie Zeuge, wie die letzten Geheimnisse der Sprachindustrie gelüftet werden – ich wünsche eine aufschlussreiche Lektüre.
Ein investigativer Artikel von David, Fachübersetzer und Freigeist aus Überzeugung.
Wer ist der Richtige für den Job?
Sie haben Ihren Content von stilsicheren Textern erstellen lassen, Ihre Webpräsenz ist ansprechend und informativ. Die Geschäfte laufen gut, und Sie sind bereit für den nächsten Schritt: Expandieren, neue Märkte erschließen, international werden. Die Lokalisierung ist beschlossene Sache, und Sie suchen geeignete Anbieter. Sie haben zwei Möglichkeiten: In jedem Zielmarkt einen oder mehrere Übersetzer ausfindig machen oder Ihr Projekt einer auf Lokalisierung spezialisierten Textagentur übergeben. Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile. Freiberufler werden sich über einen Direktkunden freuen und bestimmt ihr Bestes geben, aber gute Übersetzer sind selten auf Standby und von daher nicht immer sofort startklar. Die Textagentur dagegen verfügt über ein Netzwerk von Linguisten und Lektoren, kann meistens viele Sprachrichtungen bedienen und ggf. auch ein Team zusammenstellen, um die Lieferfrist zu verkürzen. Es bleibt allerdings dahingestellt, ob alle Freiberufler in der Datenbank der Agentur wirklich ausreichend kompetent sind, um Ihre Botschaften wirkungsvoll und verlustfrei in die jeweilige Zielsprache zu übertragen.
Wie kann ich das überprüfen?
Sie kennen bestimmt das System der Verkäuferbewertung auf eBay. Nun, auch für Sprachdienste gibt es Online-Marktplätze, und das größte dieser Portale nennt sich ProZ.com. Die Profile der dort registrierten Dolmetscher und Übersetzer geben Aufschluss über Qualifikation, Berufserfahrung und Spezialisierung, und die Bewertungen einzelner Übersetzungsagenturen auf dem „Blueboard“ zeigen sofort, ob das Büro seine Freelancer sorgfältig auswählt und respektvoll behandelt. Eine Agentur mit nachhaltig schlechter Bewertung wird Ihr Projekt eher nicht zu Ihrer vollsten Zufriedenheit abschließen können, ebenso wenig wie unerfahrene Freiberufler, die außerhalb der deklarierten Fachbereiche oder nicht in die eigene Muttersprache arbeiten. Eine kurze Online-Recherche kann Ihnen also viel Geld und Ärger ersparen.
Profibüro oder „Umtüter“?
Worst Case: Ihre Ausgangstexte sind bereit für die Lokalisierung, und Sie stoßen auf die Website einer vermeintlich hochprofessionellen Übersetzungsagentur mit Niederlassungen auf allen Kontinenten. Sie beauftragen diese Textagentur, und Ihr Projekt wird prompt auf allen größeren Übersetzungsportalen ausgeschrieben. Freelancer aus aller Herren Länder bekunden Interesse. Zielsicher werden die billigsten davon ausgesiebt und beauftragt. Sie erhalten die fertigen Texte gemeinsam mit der Rechnung der Agentur, allerdings ohne jegliche Qualitätssicherung. Enttäuscht müssen Sie feststellen, dass die Übersetzungen mehr als inadäquat sind. Zudem hat der für Sie zuständige Projektmanager inzwischen gekündigt, und die Agentur verweist Sie hartnäckig auf ihre AGB, denen Sie bei der Bestellung zugestimmt haben. Das muss nicht sein.
Idealfall: Sie beauftragen eine Textagentur, die sich glaubhaft präsentiert und Ihrer Recherche auf sozialen Netzwerken und Übersetzungsportalen zufolge professionelle Übersetzungen bietet. Das Büro sucht für Ihr Projekt Linguisten und Lektoren aus dem eigenen Netzwerk aus, deren Spezialisierung zum Themengebiet passt. Ihr Content wird in Teamarbeit und unter Wahrung des Vier-Augen-Prinzips lokalisiert, und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Was muss mein Text können?
Die mit der Lokalisierung Ihrer Inhalte betrauten Sprachdienstleister benutzen in der Regel CAT-Tools. Das sind Computerprogramme für die rechnerunterstützte Humanübersetzung. Diese Softwareprodukte beschleunigen den Übersetzungsprozess und ermöglichen eine stilistische und terminologische Konsistenz. Damit die Arbeit mit CAT-Tools reibungslos funktioniert, sollte der Ausgangstext entsprechend formatiert sein. Achten Sie darauf, dass Ihre Texte keine harten Zeilenumbrüche inmitten von Sätzen und keine geschützten Leerzeichen nach Satzenden enthalten. Sie haben eine Liste mit feststehenden Begriffen, die immer gleich oder vielleicht gar nicht übersetzt werden sollen? Perfekt, her damit! Auch beim Layout von mehrsprachigem Content sollten Sie vorausschauend denken. Die französische Version wird mehr Platz brauchen, wohingegen der englische Text knapper ausfallen wird. Lassen Sie also insbesondere Überschriften „Raum zum Atmen“.
Wie lange muss ich warten?
Gut Ding braucht Weile, und Ihr Ding soll schließlich gut werden. Wenn Sie für die Lokalisierung deutlich weniger Zeit veranschlagen als für das Copywriting, kann das Ergebnis dürftig ausfallen. Besonders der Subtext und idiomatische Finessen, die Ihrem Content Charme und „Selling Power“ verleihen, könnten dem knappen Zeitbudget anheimfallen und bei der Lokalisierung verloren gehen. Wenn Sie einen unrealistischen Termin für die Freischaltung Ihres mehrsprachigen Contents festlegen, kann das einen erheblichen Schaden nach sich ziehen. Besonnenheit bei der Auswahl Ihrer Sprachdienstleister und Vernunft bei der Projektplanung werden sich dagegen auf lange Sicht in konkreten Umsatzzahlen niederschlagen.
Wir LIEBEN Sprache.