Seit Monaten geht das Wort „DeepL “ wie ein Schaudern durch die Reihen der digitalen Content-Arbeiter. Wer es schon ausprobiert hat weiß: DeepL liefert auch bei komplizierten Texten, plausible, grammatikalisch korrekte und rund formulierte Übersetzungen. Übernimmt also KI-Software über kurz oder lang den kompletten Schrifttransfer zwischen Sprachen? Ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Babelfisch a la Douglas Adams?
Warum ist DeepL so gut
In DeepL steckt Deep Learning: Anhand von möglichst vielen guten und richtigen Problemlösungen lernt eine Software, auch bei noch ungelösten Fragestellungen eine gute Auswahl zu treffen.
DeepL ging aus dem Online-Wörterbuch Linguee hervor. Schon Linguee war und ist ein intensiv genutztes Gratis-Angebot: Die Milliarden von Suchanfragen an Linguee, bilden einen idealen Nährboden für DeepL. Dessen neuronale Netze konnten mit den Ergebnissen gefüttert werden und im Zuge von Deep Learning jene Verknüpfungen bilden, die heute so verblüffend gute Ergebnisse produzieren. Machen Sie ruhig mal den Test mit dem ersten Abschnitt dieses Texts: Nur beim Begriff „Babelfisch“ gerät DeepL ins Straucheln…
Kann DeepL also Texte verstehen?
DeepL vermag aus Abermilliarden von Übersetzungsvarianten die plausibelsten herauszufiltern. Von Verständnis kann aber so wenig die Rede sein, wie von Denken und Bewusstsein. Auch, wenn DeepL Übersetzungen sprachlich rund ausfallen: DeepL und alle maschinellen Übersetzungstools sind Simulanten echten Textverständnisses. Sie sind begnadete Puzzlespieler mit Abermilliarden von Puzzleteilchen, aber es bleibt im Einzelfall unklar, ob sie daraus das richtige Bild zusammengesetzt haben.
Grenzen von DeepL und Perspektiven für den Übersetzer-Beruf
Kontextabhängige Bedeutungen, Metaphern, Fachsprache, Slang und rechtsrelevante Terminologie: Hier lauern Fallstricke und Fallgruben, die nur mit entsprechenden fachlichen Qualifikationen sicher umgangen werden können.
Welche Konsequenzen drohen bei falscher oder missverständlicher Übersetzung eines Textes? Anhand dieser Leitfrage sollte sich jeder Auftraggeber überlegen, wieviel DeepL ihm nutzen kann und in welchem Maße er dann doch auf versierte Profis setzen sollte.
Für Übersetzer in Zeiten von DeepL zeichnen sich zwei Wege ab:
- Fachliche Spezialisierung und Expertise für sensiblen Content setzt dort an, wo DeepL keine sinnvolle Anwendung findet oder
- Integation von Tools wie DeepL in die Übersetzungsarbeit – der Übersetzer wird damit zum Kurator und Lektor der maschinellen Vorarbeit.
Das immer größere Ganze
Die wachsende Verbreitung maschineller Übersetzung geht einher mit immer größeren Textmengen, die übersetzt werden sollen. Insofern wird auch der Kuchen größer und nicht nur das Kuchenstück, dass sich Services wie DeepL abschneiden. Insofern ist zu bezweifeln, dass der Berufsstand des Übersetzers in wenigen Jahren obsolet wird, wie es der Generalsekretär der SPD Ende 2018 postuliert hat – dieses Schicksal könnte eher der SPD blühen.
Dennoch muss sich jeder Übersetzer, der nicht kurz vor dem Rentenalter steht, offen und intensiv mit der Welt der maschinellen Übersetzung auseinandersetzen, sie in die eigene Arbeit integrieren oder, wenn möglich, rechts überholen.