Was ist heute bereits mit KI-Tools als Content-Assistent möglich? Wo liegen die Grenzen? Welche Veränderungen ergeben sich für Unternehmen im Content-Marketing und wie kann die praktische Arbeit mit generativer KI gestaltet werden? Diesen Fragen gehen wir im Blogbeitrag nach.
Ein Beitrag von Wolfgang, der sich in einem Science Fiction-Film wähnt und Utopien lieber mag als Dystopien.
Teil 1 – Aufstieg der generativen KI
Wir leben inmitten einer enormen technischen Transformation durch künstliche Intelligenz. Sie hat schon vor dem großen ChatGPT-Knall Ende 2022 begonnen und wird die kommenden Jahre nicht nur das Marketing prägen. Nur wenige Wissenschaftler und Experten bezweifeln dies noch.
Im Fokus stehen nun KIs, die mit riesigen neuronalen Netzen (Large Language Models, LLM) Spracheingaben „verstehen“ (natural language processing NLP) und plausible Antworten geben können. ChatGPT4 ist in der Welt. Microsoft integriert GPT in Browser und Suchmaschine. Was ist heute bereits mit KI als Content-Assistent bei der Erstellung von Inhalten möglich? Welche Veränderungen ergeben sich für Content-Produzenten und Content-Abnehmer? Und wie können die Möglichkeiten generativer KI in der praktischen Arbeit genutzt werden?
Die große Verlockung: Effektiver Marketing-Content auf Knopfdruck?
Künstliche Intelligenz wird kräftig am Geschäftsmodell aller Content-Produzenten rütteln. Bereits heute kann sie Teilaufgaben bei der Erstellung wirksamer Texte übernehmen. Binnen kurzer Zeit wird sie bei der Textproduktion zu einem entscheidenden Produktivitätsfaktor werden.
Da KI-Ergebnisse aber auf absehbare Zeit nicht ungeprüft verwendet werden können, gilt aber auch: KI wird die menschliche Arbeit am Text nicht ersetzen, sondern ergänzen und transformieren.
Wir alle, die wir uns professionell mit der Erstellung und Verwertung von Textinhalten beschäftigen, werden künstliche Intelligenz nutzen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Da sich das Thema derart schnell bewegt, erfordert es kontinuierliche Aufmerksamkeit. Um uns die mächtigen neuen Tools und Technologie an den Schnittstellen von Informatik, Linguistik und Neurowissenschaften zunutze zu machen, müssen wir selbst Kompetenzen an diesen Schnittstellen entwickeln. Denn es wird auch mit KI weiterhin mehr als ein Knopfdruck nötig sein, um hochwertigen Content für das eigene Markting zu produzieren.
Die Grenzen im Sommer 2023
Ja, OpenAI gibt an, dass GPT4 ein Anwaltsexamen geschafft hat. GPT4 macht mit der Zahl von 100 Billionen Parametern (= GPT3 x 600) den Schritt vom Mäuse- zum Menschenhirn – zumindest was die „Processing-Power“ angeht. OpenAI spricht auch von stark verringerter Digital Hallucination – also dem Erfinden von (plausiblen, aber falschen) Fakten.
Wenn die faktische Richtigkeit der Informationen, die eine KI liefert, aber ungesichert ist, bleibt der Mensch im Spiel. Genauso wenig wie ein Verständnis von richtig und falsch, hat KI ein Konzept von Ursache und Wirkung. Stattdessen werden in den statistischen Modellen der KI nur Zusammenhänge (Korrelationen) abgebildet.
Und schließlich bleibt der Zeithorizont der generativen KI beschränkt durch die Aktualität der verarbeiteten Trainingsdaten. Ein wenig ist das, als wäre Chat GPT ein vielversprechender Hochschulabsolvent, der nach dem Uniabschluss auf einer einsamen Insel abgeworfen wurde.
Microsoft versucht in seiner GPT-Integration in Edge und Bing eine Art Reverse Engineering der KI-Texte und belegt dann Aussagen im Text mit Fundstellen im Web. So sollen präsentierte Fakten geprüft und aktuelle Informationen ergänzt werden.
Solche hybriden Ergebnisse aus sprachgewandter KI und wissensmächtiger Suchmaschine werden sich weiterentwickeln und damit sind wir beim zentralen Spielfeld des Content Marketing: Der Platzierung in den Suchergebnissen von Google.
KI und SEO – Zeitenwende für die großen Gatekeeper?
Google hat seine KI BARD in einer (vermutlich gedrosselten) Version zugänglich gemacht. Dennoch scheint der Konzern zu zögern, BARD in die Suche zu integrieren, und sucht nach Wegen, die alte und die neue Welt zu verbinden, ohne sein Geschäftsmodell zu beschädigen.
Wahrscheinlich ist, dass die Karten für die wichtigen Gatekeeper (also diejenigen, die bestimmen, welche Inhalte ausgespielt werden) im Web neu gemischt werden. Vielleicht werden Suchergebnislisten in wenigen Jahren antiquiert wirken, wenn KI ein wirklich smarter Makler zwischen Nutzer und Informationen ist. Dann könnten statt einer Auswahl an Informationsmöglichkeiten direkt die vorausgewählten Informationen präsentiert werden.
Das wird weitreichende Implikationen darauf haben, welche Inhalte in welcher Form nachgefragt werden und wie Werbetreibende und Werbeindustrie ihre Botschaften distribuieren.
Teil II – Praktische Ansätze bei der Arbeit mit Textgeneratoren wie ChatGPT
Im professionellen Hier und Jetzt gilt es nun, systematisch herauszufinden, welche Teilschritte im bestehenden Arbeitsprozess durch KI-Tools abgedeckt werden können (Produktivität) ODER wie der Arbeitsprozess durch KI angereichert werden kann (Qualität).
Autoren im Markting sollten ganz konkrete Erfahrungen mit den aktuellen Text-Generatoren sammeln. Wie gestalte ich meine Eingaben so, dass die künstliche Intelligenz das gewünschte Resultat zurückspielt? Für welche Teilaspekte meines Themas kann die KI zuarbeiten?
Das Ende aller Textentwürfe?
Wer sich von einer KI mittelmäßig interessante Blog-Artikel schreiben lässt und dies nur etwas aufhübscht, der erhält mittelmäßig interessante, aufgehübschte Blog-Artikel. Das Ganze ohne Fact Check…
Ja, manche Textarten, etwa Social-Media-Post, können von KI durchaus überzeugend erstellt werden. Eine ungeprüfte Veröffentlichung bringt aber auch hier die üblichen Risiken mit sich – Shitstorms inklusive.
Was die KI richtig gut kann, ist Daten kategorisieren, zusammenfassen und segmentieren. Mittels des KI-Chats bei Bing lassen sich zum Beispiel Tabellen erzeugen, in denen für eine Vorrecherche zwei Produkte verglichen werden.
Texte mit Personas: Sag mir, wer ich bin!
„Schreibe 5 kurze Werbetexte für den Energy Drink ZZZZZZZ im Stil eines schlecht gebildeten männlichen Teenagers“, das kann ein Prompt sein, der Personas nutzt. Die KI schlüpft also in eine Rolle.
- “Yo, hol dir den ZZZZZZZ Energy Drink und lass uns abhängen!”
- “Mit ZZZZZZZ Energy Drink bist du bereit für alles!”
- “ZZZZZZZ Energy Drink ist das Beste, um deinen Tag zu rocken!”
- “Brauchst du einen Boost? Hol dir den ZZZZZZZ Energy Drink!”
- “Mit ZZZZZZZ Energy Drink bist du immer bereit für die nächste Party!”
Das antwortet die in Bing integrierte Version von ChatGPT4. Als erste Anregung sind die Vorschläge schon brauchbar, aber sicher nicht Eins zu Eins verwendbar.
Erfolgversprechender könnte sein, einen guten Werbetext für das Marketing aus Autorenhand mithilfe von Personas für verschiedene Zielgruppen umzuschreiben. Es hilft auch bereits, wenn die künstliche Intelligenz valide Hinweise liefert, wie unterschiedliche Ansprachen gestaltet oder Glossare erstellt werden können.
Eine komplette Individualisierung werblicher Kommunikation inklusive SEO-Optimierung mit KI dürfte aber absehbar sowohl an rechtlichen als technischen Restriktionen scheitern.
Die mustergültige KI
Datenanalyse ist ein Arbeitsfeld, auf dem KI Ihre Stärken voll ausspielen kann. Bei der Analyse geht es um das Aufspüren von Mustern und Strukturen in Datensätzen. Zugleich ist Mustererkennung für künstliche Intelligenz eine Art Basisfähigkeit.
In der Sicherheitstechnik führte dies seit den Nullerjahren zu ersten kommerziellen Anwendungen bei der Gesichtserkennung an Flughäfen und anderen sensiblen öffentlichen Orten. Ähnlich verhält es sich mit dem diagnostischen Einsatz von KI.
Um den analytischen Wettbewerbsvorteil durch KI zu heben, bedarf es aber integrierter Lösungen. Idealerweise bleiben die zu analysierenden Daten innerhalb der Organisation. Unternehmen können Ihre potenziell sensiblen Daten schlecht in die Cloud hochladen.
KI-Infusionen legen
Mindestens so mächtig wie das Einnehmen einer Rolle, um einen bestimmten Stil zu produzieren, ist die Arbeit mit Referenztexten. Über die Programmierschnittstelle von ChatGPT können Aufgaben mit Verweisen auf Stilvorlagen, also guten existierenden Texten, verknüpft werden.
Aber auch direkt in die Eingabemaske lassen sich Referenztexte kopieren. GPT4 hat schon in der freien Version eine Aufnahmekapazität für den gesamten Input von deutlich über 5.000 Wörtern – also richtig viel Platz, auch um Hintergrund-Informationen zu füttern.
Dies legt nahe, dass Unternehmen und Autoren für typische Fragestellungen Referenztexte recherchieren oder schreiben, um sie Textgeneratoren als Stilvorlage zu füttern. Für Content-Produzenten entsteht die Perspektive, Keyword-spezifische Basistexte in Textsammlungen für Prompt-Referenzen zu vermarkten. Die Ausformulierung des Textes sowie die SEO-Optimierung übernimmt die KI.
Im Gespräch bleiben! It’s a Chatbot after all…
Ein schwammiger Prompt, ein bescheidenes Ergebnis und Stopp? Nicht vergessen: Die aktuellen Text-Generatoren sind zunächst auch Chatbots. Sie lassen sich also fragen, warum sie eine bestimmte Antwort gegeben haben. Bezüge zur vorangegangenen Kommunikation werden verstanden. Die generative KI kann sich zu einzelnen Fakten rechtfertigend äußern, Aspekte vertiefen oder mehrere Antworten zusammenfassen.
Wenn wir auf eine Welt der KI-betriebenen digitalen Assistenten zusteuern, ist es einfach schlau, im Gespräch zu bleiben, um sie allmählich kennen zu lernen und ihre Verhaltensmuster zu verstehen.
Eine neue Sprache?
Sagen wir so: Wer ein präzises und logisch aufgebautes Text-Briefing erstellen kann, bringt schon die wichtigste Voraussetzung mit: Dem KI-Texter mitteilen, was er genau tun soll.
Durch die enorme Aufnahmekapazität für detaillierte Briefings mit Referenzen und Personas entsteht ein neues Genre zwischen Text und Code. OpenAI bietet natürlich für ChatGPT auch eine Programmierschnittstelle an. Hier sind die Prompts nun klar als Programmiercode erkennbar.
Die Annäherung von Briefings und Code wird neue hybride Berufsbilder hervorbringen. Autoren und Informatiker können sich aus entgegengesetzten Richtungen der neuen Rolle des Prompt Engineers nähern. In ersten Fall würde dann technische Expertise und im zweiten Fall die inhaltliche Kompetenz erworben.
Eine neue Content-Markting-Welt?
Was folgt nun aus all dem für Content-Produzenten und Content-Marketing generell?
- Autoren müssen lernen, wie künstliche Intelligenz ihre Produktivität erhöhen, die Produktion von Textvarianten wie Blogbeiträgen, SEO-Texten, Produkttexten usw. unterstützen und durch Vorarbeiten die Qualität der Texte verbessen kann.
- Content-Marketer müssen lernen, was KI bei der Produktion von Content leisten kann und welche Kompetenzen sie bei Content-Dienstleistern erwarten sollten.
Fazit für Content-Produzenten:
- Der Einsatz von KI wird zu einem entscheidenden Produktivitätsfaktor in der Content-Erstellung. KI wird Teilaufgaben übernehmen und so die Produktivität steigern oder bei gleichem Aufwand und Zeit zu hochwertigeren Texten führen.
- Kompetenzen an den Schnittstellen von Informatik, Linguistik und Neurowissenschaften sind hilfreich, um die mächtigen neuen Tools einschätzen zu können.
- Die Verwendung von künstlicher Intelligenz bei der Erstellung von Inhalten erfordert eine systematische Herangehensweise, um herauszufinden, welche Aufgaben von KI abgedeckt oder durch KI angereichert werden können.
- Autoren sollten konkrete Erfahrungen mit aktuellen Text-Generatoren sammeln und lernen, wie sie die Eingaben so gestalten können, dass die KI das gewünschte Resultat liefert. Zu erlernen, wie mit KI effektiv kommuniziert werden kann, ist von zentraler Bedeutung.
- Der Einsatz von KI in der Content-Erstellung ist kritisch zu betrachten und Ergebnisse müssen auf ihre faktische Richtigkeit überprüft werden, um Risiken zu vermeiden.
Fazit für das Content-Marketing:
- KI wird die werbewirksame Produktion und Platzierung von Inhalten im Web grundlegend verändern. Mittelfristig wird KI eine tiefgreifende Umgestaltung der Content-Marketing-Landschaft bewirken.
- Auch die großen Gatekeeper werden vor diesem Hintergrund um ihre Zukunft kämpfen müssen. Klassische Suchergebnisse in Listenform könnten von KI-generierten Ergebnissen abgelöst werden. Auch die alles beherrschende SEO wird sich hierdurch verändern.
- Es ist wichtig, die Arbeitsprozesse im Content-Marketing systematisch zu überprüfen und zu sehen, welche Teilschritte durch KI abgedeckt oder angereichert werden können.
- Die Nutzung von KI in der werblichen Kommunikation eröffnet Möglichkeiten zur Individualisierung. Dabei müssen jedoch rechtliche und technische Restriktionen beachtet werden.
- Die Arbeit mit Referenztexten und die Kommunikation mit der generativen KI sind wichtige Aspekte, um effektive Ergebnisse zu erzielen und die Verhaltensmuster der KI besser zu verstehen.